EGMR: Der ehemalige Liebhaber kann keinen Vaterschaftstest durchführen – Kanzlei Patra & Köln
Familienrecht – Vaterschaftsrecht
Sofern eine verheiratete Frau mit einem anderen Mann ein sexuelles Verhältnis gepflegt hat, hat dieser frühere Liebhaber kein Recht durch einen Vaterschaftstest zu erfahren, ob es sich bei einem der Kinder um seines handelt.
Dies liegt einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zugrunde. Mit Urteil vom 26.07.2018 entschied der EGMR, dass das Kindeswohl gegenüber dem Informationsinteresse des Mannes vorrangig sei.
Es bestünde eine Gefährdung des Kindeswohls, wenn die Familie aufgrund des Testergebnisses auseinander gehen würde.
Das Kindeswohl ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich definiert. Die Interessen des Kindes im Familienrecht seien aber vorrangig gegenüber den Interessen der anderen Beteiligten.
Aufgrund Beispiele und Kriterien umfasst das Kindeswohl die körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit. Außerdem auch die Aussicht zu einer selbstständigen und verantwortungsbewussten Persönlichkeit heranwachsen zu können und die Stabilität und Beständigkeit der Beziehungen zu sorgeberechtigten Personen.
Des Weiteren ist der Kindeswille zu berücksichtigen, welcher mit zunehmenden Alter des Kindes mehr Bedeutung erlangt.
Jedes Kind und jede Familienkonstellation ist dabei individuell zu betrachten.
Im Zweifel kontaktieren Sie einen Rechtsanwalt für Familienrecht bezüglich Problemen bei der Vaterschaft.
Die Entscheidung basiert auf folgendem Sachverhalt:
Ein Mann aus Schleswig-Holstein begann im Jahr 2004 ein Verhältnis mit einer verheirateten sechsfachen Mutter. Nachdem die Frau im Oktober 2006 ihr siebtes Kind geboren hatte, wurde die Beziehung beendet.
Die Frau und ihr Ehemann gestatteten dem Mann keinen Kontakt zu dem geborenen Mädchen.
Der Mann zog dagegen erfolglos vor deutsche Gerichte. Er durfte demnach keinen Vaterschaftstest durchführen. Daraufhin empfand er sein Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt. Der Mann beschwerte sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Hingegen gab der Gerichtshof auch nicht seinem Begehren nach. Sie erklärten, dass die deutschen Gerichte zurecht das Wohl des Kindes als vorrangig erachtet haben. Sie sahen auch die Gefahr, dass die Familie zerbrechen könnte.
Somit muss auch Deutschland dem Mann als Beschwerdeführer keine Entschädigung zahlen.